ISTRISCHE ABGRENZUNG


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Die istrische Abgrenzung-Istarski razvod, ein kroatisch-glagolitisches Monument, welches die Grenzen (»termene und kunfine«) zwischen den vereinzelten istrischen ländlichen Gemeinden (»Kommunen«), deren feudalen Herrschern und der Venezianischen Republik beschreibt und regelt.

Geschrieben wurde sie als öffentlich-rechtliche Urkunde auf kroatischer Sprache, Glagoliza, in der Form eines notariellen Instruments.  Ante Starčević hat diese als erster in lateinischer Umschrift als Razvod istrianski aus dem Jahr 1325 in Kukuljević`s „Arkiv za povjestnicu jugoslavensku“ (erste kroatische historische Zeitung) (1852) veröffentlicht. Der kroatische Text datiert aus dem Jahr 1325 und die Datierung wurde durch die Angabe der Feudalen ausgeweitet, welche damals über Istrien regierten, vom Fürsten Albrecht (verstorben 1325), dem Patriarchen von Aquileia Raimund (verstorben 1299) und anderen Feudalen, welche ihre Besitze in Istrien hatten, aber welche zu verschiedenen Zeiten gelebt hatten und sich nicht auf einer solchen Abgrenzung versammeln konnten. Diese Angabe hat die formale Authentizität des Monuments in Frage gestellt. Der Begriff „razvod“ oder „zavod“ selbst ist ein alter kroatischer Begriff, und er ist auch in lateinischen Urkunden auf dem breiten Gebiet von Istrien bis Dalmatien niedergeschrieben (zavod facere, 1191, savodiçare, 1237, savodum, 1182), und er kennzeichnete den Akt der Inbesitznahme durch die Begehung des Landes. Nur durch die Abgrenzung (razvod) werden Grenzen bestimmt und eine ungestörte Nutzung des Besitzes garantiert, nachdem die Parteien die Linien und Grenzen auf dem umstrittenen Grundstück bestimmt haben.

In 21 Tagen passierte die Abgrenzungskommission etwa 150 km des umstrittenen Grundstücks; auf dieser Passage wurden der Kommission 19 alte Abgrenzungsdokumente präsentiert, mit welchen der Besitz bestätigt wurde, und diese gingen in verkürzter Form in den Text der istrischen Abgrenzung (Istarski razvod) ein. Laut dem kroatischen Monument begleiteten drei Notare die Kommission und jeder schrieb sein Original bzw. eine öffentliche Urkunde, auf lateinischer, deutscher und kroatischer Sprache. Der Notar des glagolitischen Originals war Papst Mikula, Pfarrer von Gologorica, Kaplan des Fürsten von Pazin und der Landesherren (bzw. des istrischen kleinen Adels). Kein einziges Original blieb erhalten, außer der Abschrift des kroatisch-glagolitischen Texts, welche im Jahr 1502 Papst Jakov Križanić, Notar mit kaiserlicher und päpstlicher Befugnis, abgeschrieben hatte, welcher – wie angeführt wird – das Instrument »instroment« in allen drei Sprachen abgeschrieben hat, von welchen nur die kroatisch-glagolitische Abschrift erhalten blieb, welche im Jahr 1546 Levac Križanić, Kanon von Žminj und Tinjan, auch er ebenfalls Notar, abgeschrieben hat. Zwei seiner Abschriften sind erhalten – jener von Kršan aus 1546 (heute in der Nationalen und Universitätsbibliothek in Zagreb) und jene von Momjan (heute im Staatsarchiv in Rijeka). Neben der Abschrift von Momjan befindet sich im selben Notizbuch auch die Übersetzung in die italienische Sprache von Ivan Snebal, Kanon von Buzet und Notar mit kaiserlicher Befugnis aus dem Jahr 1548. Es bestehen auch andere Übersetzungen, in die lateinische und italienische Sprache. Eine solche unzuverlässige Tradition kroatischer Texte und deren Übersetzungen hat im XIX. Jhdt. unter den italienischen Historikern den Zweifel an deren Authentizität erregt, und C. de Franceschi hat eine ausführliche Studie veröffentlicht, in welcher er jeglichen Wert des Monuments anfechtet und ihn als nationalistisches Produkt kroatischer Päpste-Glagolitiker (sogen. Glagoljaši) aus der Mitte des XVI. Jhdt. betrachtet.  Dennoch wurde die Istrische Abgrenzung ohne Rücksicht auf formale Mängel und Unklarheiten für jene Zwecke genutzt, für welche sie geschrieben wurde, bzw. zur Feststellung und Bestimmung der Grenzen zwischen den istrischen Gemeinden auf der einen und den Feudalen auf der anderen Seite, und deshalb wurde sie, zur Gänze oder in Teilen als glaubwürdiges Zeugnis abgeschrieben. Der Abschreiber und Schreiber der Istrischen Abgrenzung hat verschiedene Grenzausweise von 1275 bis 1395, welcher er zur Verfügung hatte, in eine Ansammlung »svod«, bzw. eine Texteinheit, eingetragen. Milko Kos, ein slow. Historiker, Experte für das slowenische und istrische Mittelalter, hat sich der Meinung von C. de Franceschi angeschlossen, aber als er nachträglich Grenzausweise aus dem XV. Jhdt. gefunden hat, welche mit dem kroatischen Text in seinem wahren Inhalt übereinstimmen, hat er seine Meinung über dieses wichtige Monument geändert. Ähnliche Grenzausweise, auf deutscher Sprache, hat auch B. Stulli gefunden, und somit wurde bestätigt, dass die Istrische Abgrenzung ein Dokument war, welchem die Parteien im Konflikt geglaubt, bzw. mit welchem sie ihre Rechte aufgezeigt haben. So dachte auch der erste Herausgeber des italienischen Texts P. Kandler als er dieses Dokument in seine Sammlung Codice Diplomatico Istriano (CDI) unter dem Jahr 1275 eingereiht hat. Er hatte gehofft, dass er auch das lateinische und deutsche Original finden würde, aber dies ist ihm nicht gelungen, obwohl später Ljubić wirklich auch den lateinischen Text gefunden hat, aber auch dieser ist eine Übersetzung des kroatischen Texts aus dem Jahr 1526, zwanzig Jahre älter als der erhaltene kroatische Text.

Die Istrische Abgrenzung reflektiert und beinhaltet Grenzdokumente, welche in einer breiten Zeitspanne vom XI. Jhdt. bis zur Zeit des Abhaltens einer größeren Grenzbegehung, etwa um das Jahr 1375, entstanden sind, als die Habsburger zu den Besitzern der Grafschaft von Pazin werden. Der Verfasser der Istrischen Abgrenzung nutzte das Material frei heraus, welche er auf neue, Autor-Weise, formuliert hat, ohne das Dispositiv, bzw. die Grenzen zu ändern, welche in den Dokumenten beschrieben waren, was bedeutet, dass er keine Fälschung gemacht hat. Die Grenzen, welche im Monument als umstritten beschrieben werden, blieben als solche auch nach 1375, ganz bis zum Ende der Herrschaft der Venezianischen Republik in Istrien. Der Autor der Istrischen Abgrenzung formuliert die rechtliche Materie frei und beschreibt im Autor-Verfahren Konflikte, Streite, Streitigkeiten, aber auch Schlichtungen und Versprechungen und die Bewahrung der »rote«. Er nutzt häufig Sprichwörter oder Redensweisen, um einen höheren Grad der rechtlichen Problematik zu bestärken (»die Gerechtigkeit schrie nach der Verfolgung der Schuld«). Aufgrund dessen ist die Istrische Abgrenzung ein einzigartiges rechtshistorisches Monument, welches vom hohen Grad des rechtlichen Lebens in Istrien, aber auch von den frühen Anfängen des literarischen Schaffens im mittelalterlichen Istrien zeugt.

Ohne Rücksicht auf die sogen. verdächtige Tradition des Textes ist die Istrische Abgrenzung eine ausgezeichnete Quelle darüber, wie in Istrien das feudale System bestimmt wurde, welche Elemente ihn in der ländlichen Gemeinde gestört hatten, was akzeptiert wurde und was abgelehnt wurde bei der Durchführung der feudalen Pflichten (»des Dienstes«). Die Istrische Abgrenzung spiegelt den Gesellschaftszustand in Istrien, welche sich bereits zu schichten beginnt: neben den ausländischen Feudalen, weltliche und kirchliche Gefährten, nehmen an der Abgrenzung Landsleute, kleiner heimischer Adel, Ritter mit goldenen Gürteln, Pfarrer, »gute, vertrauenswürdige Menschen« teil. In diesem Zeitraum war noch die ländliche Gemeinde, Kommune gegenüber den Feudalen verpflichtet und nicht wie später Individuen oder Familien. Die Istrische Abgrenzung spiegelt die wirtschaftliche Realität Istriens im Mittelalter wider, als nicht die Ackerflächen fraglich waren, sondern die Weiden und Teiche und andere »Landressourcen« aufgrund der verstärkten Ausbreitung der Viehzucht, was Zeichen der allgemeinen Unsicherheiten auf dem Terrain war. Das Land wurde als Ernährer verstanden, daher werden auf dem Terrain natürliche Phänomene geachtet: Konfiguration des Landes, Teiche, Wege, Pfade und Bergseiten. Die Istrische Abgrenzung bestätigt, dass die Bezirksregierung im damaligen Istrien sehr hochgeschätzt war. Ebenfalls reflektiert sie das traditionelle Recht auf dem Land, welches bereits damals gut behütet wurde, da es Garant für Frieden und gegenseitige Nutzung der Produktionsquellen, Erde und Wasser, war. Die Istrische Abgrenzung ist Zeugnis der hohen geschriebenen Kultur im mittelalterlichen Istrien und des starken Bewusstseins, dass die kroatische Sprache in diplomatischen Angelegenheiten der lateinischen und deutschen Sprache gleichgestellt war (Bratulić, 2009).